The Billion Dollar Brain
Cover

29.8.2005 #346

Re-Write vom 10.11.2008
von Guido Bibra

Titel The Billion Dollar Brain (Das Milliarden Dollar Gehirn)
Studio MGM (1967)
Hersteller MGM Home Entertainment (2004) EAN 7-15515-01032-0
DVD-Typ 5 (4,17 GB) Bitrate ø 5,4 max. 9,0
Laufzeit 103:20 Minuten Kapitel 16
Regionalcode 2 (Deutschland) Case Amaray I
Fernsehnorm PAL
Bildformat 2.48:1 16:9 ja
Tonspuren Dolby Digital 2.0 Mono 192 kbit/s Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch
Untertitel Englisch, Deutsch, Französisch, Niederländisch, Schwedisch, Finnisch, Norwegisch, Dänisch
Freigabe FSK 16
Extras • Keine

Der Film

Harry Palmer (Michael Caine) hat sich endlich von seiner unfreiwilligen Geheimagenten-Tätigkeit verabschieden können und arbeitet nun nicht sehr erfolgreich, aber wenigstens unabhängig als Privatdetektiv. Palmer ist deswegen nur wenig begeistert als sein ehemaliger Chef Colonel Ross (Guy Doleman) bei ihm aufkreuzt und ihn zum Geheimdienst zurückholen will - aber nicht einmal eine kräftige Gehaltserhöhung kann ihn überzeugen. Gleichzeitig bekommt Palmer Post und einen mysteriösen Telefonanruf, in dem ihn eine mechanische Stimme auffordert, einen Gegenstand aus einem Schließfach zu holen und einer Kontaktperson in Helsinki zu übergeben. Dort trifft Palmer zu seiner Überraschung seinen alten Bekannten Leo Newbegin (Karl Malden), der ihn einlädt in einer Geheimorganisation mitzuarbeiten, die ihre Anweisungen von einem Computer entgegennimmt, der von einer Zentrale in Texas gesteuert wird…

 


Mitte der sechziger Jahre befand sich das Agenten-Genre auf dem absoluten Höhepunkt, wurde aber deutlich von den James-Bond-Produktionen von Albert R. Broccoli und Harry Saltzman dominiert. Es gab viele Nachahmer, aber auch einige seltene Originale – darunter auch die von Saltzman produzierten Harry Palmer-Filme. Len Deightons Anti-Spion hatte 1965 und 1966 mit The Ipcress File und Funeral in Berlin schon zwei Kinoabenteuer hinter sich gebracht, die zwar wegen ihrer etwas anspruchsvolleren Machart nicht gerade fürs Massenpublikum geeignet waren, aber die Kritiker überzeugen konnten und doch eine kleine Fangemeinde besaßen.

Hauptdarsteller Michael Caine hatte einen Vertrag über fünf Filme unterschrieben, und der gar nicht so kleine Erfolg von The Ipcress File und Funeral in Berlin hatten einen weiteren Film möglich gemacht, der aber mehr von konventioneller und vor allen Dingen kassenträchtigeren Art sein. Als Vorlage wurde deshalb Len Deightons vierter Spionage-Roman The Billion Dollar Brain ausgesucht, das sich mit weningen Handgriffen zu einem Agententhriller umfunktionieren ließ, der die Komplexität von Harry Palmer mit der Megalomanie von James Bond verbinden konnte, ohne zu sehr in die eine oder andere Richtung abzuschweifen.

Nachdem Harry Saltzman bei der Auswahl des Regisseurs für Funeral in Berlin auf Nummer sicher ging und Guy Hamilton engagierte, der vorher schon den Bond-Film Goldfinger inszeniert hatte, ging der Produzent mit Ken Russell wieder ein Risiko ein. Der Regisseur hatte sich bisher bei der BBC einen Namen mit seinen detailreichen und aufwendig produzierten Fernsehfilmen gemacht, aber noch nicht für die große Leinwand gearbeitet und war sogar nur ein "Director for Hire", der den Film nur als Auftrag ohne besondere Begeisterung inszenierte. Er bewies mit The Billion Dollar Brain dennoch sein handwerkliches Können, gutes Gespür für eine typisch trocken-britische Inszenierung und eine für ihn ganz unübliche Zurückhaltung, die er später als unberechenbares Enfant Terrible des britischen Films über Bord warf.

Drehbuchautor John McGrath hatte bei der BBC schon früher mit Ken Russell zusammengearbeitet und schrieb mit The Billion Dollar Brain sein erstes Kinodrehbuch. Seine Umsetzung von Len Deightons Roman hielt sich relativ genau an die Vorlage, allerdings wurde mehr als bei den beiden Vorgängern gekürzt und auch dazugeschrieben, um den kommerziellen Erfolg des Films nicht zu gefährden. Die größten Änderungen wurden zu Beginn und am Ende der Geschichte durchgeführt, denn Palmer ist im Buch immer noch beim Geheimdienst beschäftigt und auch das große Schluß-Spektakel existiert in der Vorlage nicht. Umgeschrieben wurde The Billion Dollar Brain aber unter der Mitarbeit von Autor Len Deighton, der dem Drehbuch auch seinen ganz persönlichen Stempel aufdrücken konnte.

Die Story des Films ist für die damalige Zeit geradezu erstaunlich, für Len Deightons Maßstäbe aber eigentlich nichts wirklich besonders. Man hat es hier nicht mit einem typischen Bösewicht zu tun, der einfach nur die Welt übernehmen will, sondern mit einem durchgedrehten Texaner, der mit einem computerberechneten Angriffskrieg die Kommunisten der Welt ausrotten will – und dann ist da auch noch Leo Newbegin, der aus der ganzen Operation eigenen Profit schlagen will. Die Parallelen zur heutigen weltpolitischen Lage sind deutlich erkennbar, wenn auch damals nicht beabsichtigt – aber gerade deshalb wirkt die Geschichte heute fast wie eine Realsatire.

Michael Caine kehrte natürlich wieder als Harry Palmer zurück und hat in The Billion Dollar Brain seinen besten Auftritt als unfreiwilliger Agent, der sich in seiner trockenen, britischen Art von überhaupt nichts aus der Ruhe bringen läßt. Mit Guy Doleman als Colonel Ross ist ein weiterer Fixpunkt des Harry Palmer-Universums wieder in diesem Film zu sehen – Doleman übertrifft Caine diesmal sogar noch in Sachen britischer Steifheit und in ihren wenigen gemeinsamen Szenen liefern sich die beiden kleine schauspielerische Duelle.

Wie ein Gegensatz zu den zurückhaltenden und beinahe unterkühlt-sarkastischen Auftritten der britischen Darsteller wirkt Oskar Homolka, der wie in Funeral in Berlin wieder die Rolle des russischen Colonel Stok übernahm. Statt britischer Zurückhaltung lebt sein Charakter von einer freundlichen Wärme mit einer unterschwelligen Gefährlichkeit – er nennt Palmer immer noch liebenswürdig "Eeeeeeenglish!", läßt aber keinen Zweifel daran, daß er auch ganz schön hart zubeißen kann, wenn es drauf ankommen sollte.

Anders als bei den ersten beiden Harry-Palmer-Abenteuern sind die Nebenrollen in The Billion Dollar Brain sehr hochkarätig besetzt. Als Harrys undurchsichtiger Freund Leo Newbegin ist ein wundervoll zwielichtig spielender Karl Malden zu sehen, der schon seit den fünfziger Jahren zur Hollywood-Oberklasse gehört und hier eine seiner besten Nebenrollen spielt. Malden (und nicht nur er) wird jedoch von Ed Begley praktisch an die Wand gespielt, der den manisch-verrückten General Midwinter fast schon beängstigend intensiv spielt.

Mehr dekorativer Art ist die Rolle von Françoise Dorléac als Leos Freundin Anya, deren Charakter schon im Buch nicht viel zu tun hat und für den Film noch mehr zusammengekürzt wurde. Françoise Dorléac macht aber das beste aus ihrer kleinen Rolle und versprüht mehr Charme und Intelligenz als alle Bond-Girls der sechziger Jahre zusammen. Tragischerweise war The Billion Dollar Brain ihr letzter Film, denn kurz nach Beendigung der Dreharbeiten verunglückte Dorléac, die ältere Schwester von Catherine Deneuve, bei einem Autounfall in Frankreich.

The Billion Dollar Brain unterscheidet sich vom Produktionsaufwand kaum von den James Bond-Filmen. Harry Saltzman ließ sich nun nicht mehr lumpen, denn er konnte den Film genauso wie die Bond-Produktionen bei United Artists unterbringen und stellte ein viel größeres Budget zur Verfügung. Gedreht wurde neben den üblichen Studioaufnamen in Pinewood diesmal “on location” in Finnland – hauptsächlich in Helsinki, aber auch in zwei kleineren Städten, die stellvertretend für die lettische Hauptstadt Riga standen. Die Städte wurden sehr stimmungsvoll in Szene gesetzt, so daß der Film eine Menge interessanten Lokalkolorit bietet und ein bemerkenswerten Zeitdokument ist.

Das Produktionsdesign von Syd Cain, einem Kollegen von Ken Adam, der offenbar wegen der aufwendigen Vorbereitungen zu You only live twice keine Zeit für diesen Film hatte, ist sehr detailreich, aber natürlich nicht ganz so ausladend wie bei den Bond-Filmen. Die beeindruckensten Sets mußten sogar nur teilweise gebaut werden, denn die Szenen in der Midwinter-Konzernzentrale wurden in den Labors des Computerherstellers Honeywell gedreht – das titelgebende Milliarden-Dollar-Gehirn war ein echter Honeywell Mainframe-Computer, der heute wie ein Dinosaurier aussieht, aber damals ein Wunderwerk der Technik war.

Neben vielen ruhigen und dialoglastigen Szenen hat The Billion Dollar Brain auch ein paar handfeste Actionszenen zu bieten, die von Inszenierung und Waghalsigkeit den Bond-Filmen um nichts nachstehen. Richard Rodney Bennetts klavierlastige Filmmusik wird der Größe der Produktion gerecht und hat auch den typischen Spionage-Sound, der bestens zum Film paßt und fast wie eine kleine Symphonie wirkt. Zusammen mit der aufwendigen Titelsequenz von Maurice Binder macht der Film den Eindruck einer fast perfekten Symbiose zwischen Harry Palmer und James Bond.

Unfairerweise wird The Billion Dollar Brain gerne als das schwarze Schaf der drei Harry-Palmer-Filme verurteilt, weil mehr Wert auf Publikumsverträglichkeit als auf die komplizierte Handlung der Vorgänger gelegt wurde. Man hätte die Romanvorlage von Len Deighton auch im Stil der ersten beiden Filme drehen können, aber ultimativ ist doch die Kreuzung zwischen Palmer und Bond viel besser gelungen und bietet von jedem ein bißchen etwas. Leider war das Kinopublikum davon nicht besonders begeistert – Harry-Palmer-Fans waren von der kommerzialisierung ihres Helden enttäuscht, und für Bond-Fans war der Film immer noch zu kompliziert.

Der erhoffte kommerzielle Erfolg des Films blieb auch wegen der Konkurrenz aus dem eigenen Haus leider aus, und so wurde The Billion Dollar Brain zum letzten Harry-Palmer-Kinofilm. Dreißig Jahre später spielte Michael Caine Harry Palmer in zwei Fernsehfilmen noch einmal, die aber den Charme der alten Verfilmungen nicht mehr erreichen konnten. 2002 bewies der Schauspieler jedoch großen Humor, als er in Mike Myers dritter Austin Powers-Agentenparodie Austins Vater Nigel Powers spielte und seinen eigenen Agenten-Charakter aus den sechziger Jahren wundervoll auf die Schippe nahm.

The Billion Dollar Brain ist aus heutigem Abstand betrachtet ein würdiger Abschluß der Palmer-Trilogie und ein erstklassiger Spionage-Film der alten Schule, der sich genauso wie seine beiden Vorgänger wohltuend von der Konkurrenz unterscheidet und nicht so stark gealtert ist wie die damaligen James-Bond-Filme. Der trotz des etwas phantasievollen Endes immer noch deutliche Realismus macht den Film auch heute noch sehr aktuell, spannend und interessant.

Die DVD

Lange Zeit war The Billion Dollar Brain nicht auf DVD erhältlich, aber gelegentlich sogar im deutschen Fernsehen zu sehen. Erst 2004 hatte MGM in Europa diese DVD des Films veröffentlicht – die lange Verzögerung hatte offenbar ihren Grund in einer kurzen Szene, in dem ein Schnipsel des Beatles-Songs A Hard Day's Night zu hören war. Auf der DVD fehlen etwa 45 Sekunden vom Anfang der Szene bei 42:29, leider hat MGM sich dazu entschieden den Anfang herauszuschneiden anstatt nur die Tonspur zu bearbeiten.

Trotz der fehlenden 45 Sekunden ist die europäische DVD des Films durchaus zu empfehlen, auch wenn die Bild- und Tonqualität nicht so ganz auf dem guten Niveau der anderen beiden Harry-Palmer-Filme The Ipcress File und Funeral in Berlin ist und es überhaupt keine Extras gibt. Eine amerikanische DVD des Films ist im Oktober 2005 erschienen, aber ob diese das gleiche Bildmaster wie die europäische Veröffentlichung verwendet, ist mir unbekannt - allerdings ist dort auch die fehlende Szene nicht dabei.



Bild

MGMs Transfer von The Billion Dollar Brain scheint schon einige Jahre auf dem Buckel zu haben, denn für eine Abtastung von 2004 sieht die Qualität wirklich nicht besonders berauschend aus und macht von den drei Harry Palmer-Filmen den schlechtesten Eindruck. Wie ein Bildvergleich mit einer alten TV-Aufnahme zeigt, ist das extrem breite Bildformat von 2.48:1 dieser DVD dadurch entstanden, daß mehr vertikal gemattet wurde, aber auch weil das Bild zu weit nach Rechts verschoben wurde und dadurch ein Teil des Filmbilds abgetastet wurde, auf dem bei normalen Kinokopien die Lichttonspur untergebracht ist.

Die Filmvorlage ist in einem mittelprächtigen Zustand. Es sind zwar nicht viele grobe Verschmutzungen zu sehen, aber in der ersten halben Stunde sind fast ständig auf der rechten Bildseite einige dünne Laufstreifen sichtbar. Diese wurden teilweise mit einem Filter behandelt, fallen aber trotzdem manchmal noch störend ins Auge. Ein paar kleinere Dropouts huschen hier und da durchs Bild, halten sich aber erfreulicherweise in Grenzen – über weite Strecken sieht diese Abtastung recht sauber aus und ist noch längst nicht so verfusselt wie die alten Bond-DVDs. Leider wurde der 103 Minuten lange Film auf eine einlagige DVD gequetscht, so daß sich die Kompression gelegentlich mit leichtem Blockrauschen bemerkbar macht.

Die Schärfe ist nicht auf dem allerbesten Niveau, das Bild wirkt deutlich milchig und detailarm. Verursacht wurde dies anscheinend durch einen sehr aggressiv angewendeten Rauschfilter, der sämtliche Filmkörnigkeit entfernt, aber auch viele Details dabei mitgenommen hat. Dazu wurde auch noch auf eine zusätzliche Aufschärfung verzichtet, so daß der Transfer ungewohnt schwammig aussieht. Auch die Farben lassen etwas zu wünschen übrig, denn viele Szenen haben einen deutlichen Rotstich, der den weißen Schnee mehr Rosa erscheinen läßt Kontrast und Helligkeit sind aber relativ gut ausgeglichen und lassen auch noch in dunklen Szenen eine Menge erkennen.

Für eine Veröffentlichung von 2004 ist die Bildqualität dieser DVD nicht besonders beeindruckend – man hat fast das Gefühl, daß das Bildmaster schon Jahre vor der Veröffentlichung erstellt wurde, aber wegen den Copyrightproblemen lange Zeit auf Eis gelegen hat. Ob die später erschienene US-DVD eine bessere Abtastung besitzt, ist mir leider unbekannt.

Ton

Ganz typisch für eine MGM-DVD eines älteren Films sind auch die Tonspuren, die im Gegensatz zu den anderen beiden Harry-Palmer-DVDs nicht wirklich begeistern können – dafür wurde einfach zu wenig für die Tonqualität getan.

Die englische Tonspur kann sich noch einigermaßen behaupten, ist aber im Vergleich zu anderen gut restaurierten Mono-Tracks aus dieser Zeit eine Enttäuschung. Der Frequenzgang ist sehr eingeschränkt, ordentliche Bässe und Höhen sind hier leider ein Fremdwort, worunter besonders die Filmmusik leidet - hohe Töne verursachen sogar oft ein leichtes Klirren. Die Stimmen sind gut verständlich, klingen aber ziemlich dünn und belegt, als ob die Dialog-Tonspur mit einem Rauschfilter behandelt wurde. Dabei ist das Grundrauschen der Tonspur ziemlich hoch, aber von anderen Störungen wie Knacksen und Knistern bleibt man doch verschont.

Die deutsche Fassung klingt noch deutlich blecherner als die Originalfassung, offenbar stammt die Tonspur von einer nicht besonders gut erhaltenen Lichtton-Fassung. Leise Passagen werden von einem deutlichen Rauschen und Rumpeln begleitet, während die Stimmen noch viel pappiger und blecherner als auf der englischen Tonspur klingen. Die Musik klingt jedoch fast identisch und nur ein ganz klein wenig kratziger. Wie so oft hört sich von den Synchronfassungen die deutsche Version immer noch am besten an, denn die französischen, italienischen und spanischen Tonspuren sind tatsächlich kaum genießbar.

Auf die immer noch am besten klingende Tonspur muß jedoch niemand verzichten, denn wie bei MGM üblich ist diese DVD mit sechs Untertitel-Sprachen ausgestattet, darunter natürlich auch Englisch und Deutsch.

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