Schtonk!
Cover

1.10.2007 #423

von Guido Bibra

Titel Schtonk!
Studio Bavaria / WDR (1991)
Hersteller Eurovideo (2000) EAN 0-07361-17684-0
DVD-Typ 5 (4,32 GB) Bitrate ø 5,13 max. 8,4
Laufzeit 110 Minuten Kapitel 16
Regionalcode 2 (Deutschland) Case Amaray I transp.
Fernsehnorm PAL
Bildformat 1.74:1 16:9 nein
Tonspuren Dolby Digital 2.0 Surround 192 kbit/s Deutsch
Untertitel Keine
Freigabe FSK 6
Extras Keine

Der Film

Fritz Knobel (Uwe Ochsenknecht) ist ein verkrachter Künstler mit einem besonderen Gespür fürs Geschäft. Als er einem Alt-Nazi ein gefälschtes Aktgemälde von Eva Braun als echten Hitler verkauft und sein Kunstwerk dabei auch noch als authentisch identifiziert wird, kommt er auf die brilliante Idee Adolf Hitlers Tagebücher zu fälschen. Bei der Vorstellung seines ersten Werkes knüpft Knobel Kontakt zu dem heruntergekommenen Reporter Hermann Willié (Götz George), der gerade auf der Jagt nach Nazi-Reliquien ist und in den Hitler-Tagebüchern seine dringend notwendige große Chance sieht. Er läßt sich von dem gewieften Fälscher Knobel die Tagebücher andrehen und schafft es die Chefetage seiner Zeitung zu überzeugen, die für teures Geld erstandenen vermeintlichen Reliquien zu veröffentlichen. Während Knobel immer mehr Tagebücher fabriziert und vom ahnungslosen Willé dafür ein Vermögen erhält, kommen die ersten Zweifel über die Authenzität der Dokumente auf...

 


Anfang der achtziger Jahre wurde die deutsche Zeitschriftenbranche von einem der größten Skandale des Journalismus erschüttert. Die Hamburger Illustrierte Der Stern, seit der Gründung Ende der vierziger Jahre neben dem Spiegel und der Zeit ein Fixpunkt der deutschen Magazinwelt, überraschte 1983 mit der Ankündigung, daß sich die geheimen Tagebücher von Adolf Hitler in ihrem Besitz befänden. Nach einer sensationsgeladenen Pressekonferenz erschien Ende April 1983 eine Stern-Ausgabe mit ersten ausführlichen Auszügen, aber die Sensation hielt nicht lange an. Obwohl der Stern sich die Echtheit der Tagebücher von Experten bestätigen ließ, deckte ausgerechnet die Zeitungs-Konkurrenz Der Spiegel mit Hilfe des Bundeskriminalamts auf, daß es sich um komplette Fälschungen handelte. Gerd Heidemann, der Journalist, der die Fälschungen für fast 10 Millionen DM an der Chefredaktion vorbei gekauft hatte, wurde genauso wie der Fälscher Konrad Kujau zu mehrjährigen Haftstrafen wegen Betrugs verurteilt. Die Chefredaktion des Sterns mußte zurücktreten, und das Magazin brauchte einige Zeit, um sich von den Auswirkungen der Affaire erholen.

Vom Skandal zur Satire

Der Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher entwickelte sich zu einer satirereifen Posse, die die Leichtgläubigkeit der deutschen Presse offenbarte, aber gleichzeitig auch für die Medien ein gefundenes Fressen war. Die falschen Hitler-Tagebücher erreichten im Laufe der achtziger Jahre eine noch größere Popularität als es vielleicht mit echten Reliquien möglich gewesen wäre. Während sich der Stern aus der Berichterstattung verständlicherweise weitgehend heraushielt, setzten sich andere Zeitungen mit den Verstrickungen und Hintergründe des Skandals ausführlich und genüßlich auseinander, nicht ohne eine gewisse Portion Schadenfreude. 1986 veröffentlichte der britische Journalist Robert Harris sein Buch Selling Hitler, eine aufwendig recherchierte, aber etwas sensationell aufgemachte Dokumentation über die gefälschen Hitler-Tagebücher und deren Hintergründe.

Vermutlich war es dieses Buch, das den Bavaria-Produzenten Ulrich Limmer entgültig auf die Idee brachte, die Affaire um die falschen Hitler-Tagebücher zu verfilmen. Zusammen mit dem Regisseur Helmut Dietl, der sich bisher mit erstklassigen TV-Serien wie Monaco Franze und Kir Royal einen Namen gemacht hatte, begann Limmer Ende der achtziger Jahre an einer Filmumsetzung zu arbeiten. Knapp drei Jahre schrieben Dietl und Limmer an ihrem Drehbuch, denn bei einem so heiklen Material konnte man sich keinen geschmacklichen Fehltritt erlauben, was einen unweigerlichen Flop zur Folge haben könnte. Es sollte kein ernstes Drama und auch keine platte Komödie werden. Stattdessen gingen die beiden Filmemacher den intelligenten Weg und machten aus der Geschichte eine handfeste Satire, insofern dies überhaupt notwendig war - schließlich hatte der Skandal schon ganz von sich selbst realsatirische Züge angenommen und war schon deswegen bestens für eine nicht allzu ernste Verfilmung geeignet.

Phantasie und Wirklichkeit

Helmut Dietl und Ulrich Limmer legten großen Wert darauf, viele Fakten des Skandals originalgetreu umzusetzen, aber weil es sich um einen Spielfilm und nicht um eine Dokumentation handeln sollte, ließen sie sich bei der Gestaltung der Charaktere viel künstlerische Freiheiten. Aus dem Maler Konrad Kujau wurde die komische Figur des Dr. Fritz Knobel, der Reporter Gerd Heidemann wurde zum schmierigen Journalisten Herman Willié, und auch die Stern-Chefredaktion wurde fiktionalisiert - nicht aber ohne noch eine Menge von den wirklichen Beteiligten durchscheinen zu lassen. Trotzdem war der Abstand zwischen den Filmcharakteren und ihren Vorbildern notwendig, um den Filmemachern die Freiheit der Satire zu geben.

Einige nebensächliche wahre Begebenheiten haben Helmut Dietl und Ulrich Limmer abgeändert in ihr Drehbuch eingebaut. Diese betreffen hauptsächlich Gerd Heidemann, der tatsächlich einige Jahre der Lebensgefährte von Görings Nichte war, die im Film in Freya von Hepp umgetauft wurde. Auch hatte Heidemann wirklich Görings alte Yacht gekauft und der Stern-Redaktion als Sensation verkauft, genauso echt war die Reise des Journalisten in die DDR, um sich von der angeblichen Herkunft der vermeintlich echten Tagebücher zu überzeugen. Herrman Willé hat aber ansonsten nicht viel mit Gerd Heidemann zu tun, der zwar bei den Dreharbeiten dabei war und mit den Filmemachern zusammenarbeitete, aber seinem Alter Ego auf der Leinwand nicht zutraute, auch nur fünf Minuten in der echten Stern-Redaktion zu überleben.

Von einer Mitarbeit am Film von Konrad Kujau, dem wirklichen Fälscher der Tagebücher, wurde allerdings nicht viel berichtet, was vermutlich dazu führte daß sein Filmcharakter fast gar nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun hatte. Tatsächlich muß der 2000 verstorbene Kujau ein privat relativ uninteressanter Mensch gewesen sein, weshalb Dietl und Limmer ihrer Filmfigur ein ganz eigenes Umfeld und eine eigenständige Rahmenhandlung gaben. Dr. Fritz Knobel wurde nicht nur zum hauptsächlichen Protagonisten und Erzähler der Geschichte gemacht, sondern bekam auch eine kleine Liebesgeschichte dazugedichtet, die im Plot zwar keine wichtige Funktion hat, aber für die satirischen und humorvollen Elemente des Films unverzichtbar war.

Eine Satire über eine Posse

Die größte Frage dürfte für die Filmemacher gewesen sein, wie sie ihr Kind nennen sollten. Richard Harris hatte sein Buch schlicht Selling Hitler genannt, was aber bei der satirischen Aufarbeitung des Stoffs überhaupt nicht gepaßt hätte und auch nicht richtig übersetzbar gewesen wäre. Stattdessen hatten Helmut Dietl und Ulrich Limmer einen Geistesblitz und erinnerten sich an The Great Dictator, in dem Charlie Chaplins zynische Hitler-Parodie eine Rede in einem Phantasie-Sprachgemisch hält und dabei mehrfach das Wort Schtonk verwendet, das in Ermangelung einer besseren Idee zum Filmtitel gemacht wurde.

Kaum etwas hätte natürlich besser passen können als ein Zitat aus dem einzigen Film, der es gewagt hatte damals den Nationalsozialismus offen zu kritisieren und lächerlich zu machen. Im Prinzip hat der Titel mit dem Inhalt überhaupt nichts zu tun, wenn man von der allgemeinen satirischen Seelenverwandheit der beiden Filme absieht - deswegen haben die Filmemacher in einer Schlüsselszene, in der aus den falschen Tagebüchern zitiert wird, einen humorvollen Verleser eingebaut, der aus Gott sei Dank das vulgäre Kotzeschtonk macht und damit den fragwürdigen Inhalt der Fälschungen gleichzeitig noch verstärkt.

Die richtigen Akteure für einen Skandal

Große deutsche Filmproduktionen haben oft den nicht gerade positiven Ruf, alles was Rang und Namen hat wahllos zusammenzutrommeln und vor die Kamera zu stellen. Bei einem Blick auf die Besetzungsliste von Schtonk könnte man zu dem gleichen Urteil kommen, aber die Filmemacher haben sich nicht nur von großen Namen blenden lassen, sondern die Schauspieler mit einer großen Treffsicherheit ausgewählt - auch wenn es auf den ersten Blick gar nicht danach aussieht.

Angeblich soll Mario Adorf großes Interesse an einer der beiden Hauptrollen des Films gehabt haben, wurde von Helmut Dietl aber völlig ignoriert. Stattdessen besetzte der Regisseur den Fälscher Fritz Knobel mit Uwe Ochsenknecht, der schon seit den achtziger Jahren in einigen der erfolgreichsten deutschen Filmproduktionen mitgespielt hatte und die Figur in einen liebenswerten Schwindler verwandelte, der die Sympathie des Zuschauers ganz auf seiner Seite hat. Ochsenknecht gibt dem verschlagenen Kunstfälscher einen schluderigen, verspielten Charme, der den Charakter zu einem unverwechselbaren Original machte, das zwar kaum etwas mit dem wirklichen Konrad Kujau zu tun hatte, aber dadurch besonders unterhaltsam wirkt.

Auch die Rolle des Journalisten Herman Willié (mit Akzent auf dem é!) haben die Filmemacher mit Götz George ungewöhnlich, aber exzellent besetzen können. Der Schauspieler hatte sich in den achtziger Jahren nach einer langen Karriere in zahllosen kleinen und großen Kino-Rollen als ruppiger Ruhrgebiets-Kommissar Schimanski etablieren können, war aber auch gelegentlich als vielseitiger Charakter-Darsteller zu sehen und für Helmut Dietl wahrscheinlich deswegen die erste Wahl für den schmierigen Journalisten. Götz George spielt in Schtonk nicht etwa sich selbst, denn in Hermann Willié ist kaum etwas von seinem üblichen Art zu erkennen. Seine Rolle ist ein sorgfältig durchchoreographierter Auftritt, der schon hart an die Grenze zum Overacting stößt, aber gerade dadurch zu einer wundervollen Parodie wird.

An der Seite von Götz George agiert die österreichische Schauspielerin Christiane Hörbiger als Freya von Hepp, der (im Film als Charakter fiktiven) Nichte von Hermann Göring, an die sich Willié heranmacht und über deren Kontakte der abgehalfterte Journalist schließlich an die verhängnisvollen Hitler-Tagebücher gelangt. Der Schauspielerin gelingt es ihre Rolle genauso satirisch und deftig anzulegen wie Götz George und spielt die Nazitochter mit viel Elan und einer großen Portion Bissigkeit. Wie die anderen Schauspieler auch macht Christiane Hörbiger damit deutlich, daß ihr Charakter nur eine Persiflage und keine reale Person sein soll.

Zwei weitere weibliche Nebenrollen sind die beiden Damen des Fälschers, seine Frau und seine Geliebte. Es sind die einzigen Charaktere, die kein direktes reales Vorbild haben und hauptsächlich für einen kleinen Subplot da sind, um den Charakter Fritz Knobel noch mehr auszubauen. Dagmar Menzel spielt Knobels Frau Biggi frech und schlagfertig, und ist damit das Gegenteil von Martha, seiner Geliebten, die er zuerst als Aktmodell anheuert und dann schließlich der Versuchung nicht widerstehen kann. Offenbar konnte auch Helmut Dietl dies nicht, denn er besetzte Martha mit seiner damaligen Freundin Veronica Ferres, die aber als genau die Richtige für die Rolle der drallen Blondine war.

Auch die weiteren Nebenrollen wurden erstaunlich elegant besetzt. Als Verlagsschef Dr. Wieland ist Ulrich Mühe in einer seiner wenigen wirklich komischen Rollen zu sehen, die dem damaligen Gruner+Jahr-Chef Gerd Schulte-Hillen zwar überhaupt nicht entspricht, aber dafür die ahnungslose Führungsebene eines großen Verlagkonzerns wundervoll auf die Schippe nimmt. Die ebenso fiktive Chefredaktion wird gekonnt unter anderem von Martin Benrath und Hermann Lause gespielt, die dafür sorgen daß man einen nur leicht parodistischen und ansonsten ganz authentisch wirkenden Einblick in die Interna der Zeitungsredaktion bekommt. Als Tüpfelchen auf dem i konnte Helmut Dietl außerdem als Williés Chef Harald Juhnke engagieren, der in Schtonk in einer seiner letzten großartigen Rollen zu sehen ist - er spielt hier nicht als Ulknudel, sondern lediglich mit einem kräftigen Augenzwinkern einen resoluten Journalisten, der der Sensation von Willié trotz besseren Wissens nicht widerstehen kann.

Deutlich satirischer, aber auch nicht völlig respektlos werden die Altnazis der Geschichte dargestellt, für die Helmut Dietl einige ganz hervorragende Schauspieler der alten Klasse engagieren konnte. Der Herr Gruppenführer von Klantz wird von Georg Marischka gespielt, der schon in Dietls Kir Royal eine sehr politische Nebenrolle als bayrischer Ministerpräsident hatte und in Schtonk trotz seines relativ kurzen Auftritts trotzdem wieder überzeugen kann. Es ist aber Karl Schönböck als allwissender Kunstkenner Strasser, der mit seinem Running Gag "Wußen sie das nicht?" und der fast unheimlich wirkenden Bewunderung für seinen Führer am meisten im Gedächtnis haften bleibt. Einen weiteren bemerkenswerter Auftritt hat auch Rolf Hoppe als Karl Lenz, dem Nähmaschinen-Fabrikant mit Vorlieben für Nazi-Reliquien, dessen atemlose Vorlesung aus den Hitler-Tagebüchern eins der größten Highlights des Films ist.

Der Film zum Buch vom Führer

Eigentlich war der Skandal um die Hitler-Tagebücher schon für sich unglaublich genug, und wenn man Helmut Dietl und Ulrich Limmer glauben schenken mag, haben sie sogar einige der ungeheuerlichsten Details aus ihrer Geschichte herausgenommen, weil sie sowieso niemand geglaubt hätte. Tatsächlich haben die beiden Autoren die Geschichte aber noch viel mehr auf die Spitze getrieben, um sich erst gar nicht als ernsthafte Dokumentarfilmer zu präsentieren und den Film zu einer Vollblut-Satire zu machen. Dietl und Limmer ziehen dabei alle Register der Komödie, ohne dabei jedoch die Grenzen des guten Geschmacks völlig zu überschreiten.

Die Filmemacher nehmen dabei nicht nur den deutschen Journalismus aufs Korn, sondern auch die zahlreichen Alt-Nazis, für die der Film zwar keinen beleidigenden Spott übrig hat, aber sie trotzdem auf eine viel intelligentere Weise durch den Kakao zieht. Dietl und Limmer entlarven die alten Herren als ewig gestrige Verehrer einer Zeit, in der sie selbst keinen Schaden davontrugen und von nichts bösem gewußt haben. Der Holocaust und die Schrecken des Kriegs werden mit keinem Wort erwähnt, was aber keinesfalls ignorant ist, denn schließlich handelt Schtonk nicht von Kriegsverbrechen, sondern von einer viel gegenwärtigeren Affaire.

Das Drehbuch sprüht nur so von kleinen und großen Gags, die von einfachem Slapstick bis zu sorgfältig aufgebauter Situationskomik reichen. Allerdings haben die beiden Autoren auch genau den richtigen Ton zwischen Komödie, Satire und Zynismus entwickelt, der den Film durchgehend auf einem hohen Niveau hält und sogar den gelegentlichen Gag unterhalb der Gürtellinie verzeihen läßt. Es war zwar Dietls erster großer Kinofilm, aber er wußte das Medium hervorragend einzusetzen - nicht nur die Bilder, die er zusammen mit Kameramann Xaver Schwarzenberger im imposanten Breitbild-Format eingefangen hat, sind hervorragend gelungen, sondern auch die Inszenierung ansich.

Dietl wußte genau seine Schauspieler effektiv einzusetzen und hat ein bemerkenswertes Gespür für die perfekte Umsetzung seines Drehbuchs, die trotz fast zwei Stunden Länge nie Langeweile aufkommen läßt. Mit einem großzügigen Budget von fast zehn Millionen Mark war der Film nicht gerade billig - ein Teil der Finanzierung kam aus der Nordrhein-Westfälischen Filmstiftung und als Co-Produktionsfirma wurde neben der Bavaria Film auch der WDR mit ins Boot geholt. Ein Aufwand, der sich gelohnt hat - im Gegensatz zu den Millionen für die Hitler-Tagebücher ist das Budget von Schtonk nicht im Sand versickert, sondern ist in jeder Minute auf der Leinwand zu sehen. Helmut Dietl hat mit der Ausstattung nicht gespart und die Persiflage in eine wundervoll realistische Szenerie eingebettet, die die Grenzen zwischen Satire und Realität manchmal ein wenig verwischt.

Der Klang des Schwindels

Auch musikalisch wandelt Schtonk auf den Wegen der Satire, denn einen Film dieser Art mit einer bombastischen Orchestralscore zu vertonen hätte ganz und gar nicht gepaßt. Stattdessen wandte sich Helmut Dietl an Konstantin Wecker, einen alten Bekannten, der schon die Musik für einige seiner früheren Produktionen wie Kir Royal geschrieben hatte. Wecker, der eigentlich in erste Linie Songwriter und nur in zweiter Linie Filmkomponist ist, stattete Dietls Film mit vielen verspielten Melodien aus, die gar nicht zum eigentlich ernsten Thema des Films passen würden, wenn sie nicht selbst ein Bestandteil der satirischen Elemente der Geschichte wären.

Eng mit Konstantin Weckers Filmmusik verknüpft wurden außerdem eine handvoll der bekanntesten Songs aus dem dritten Reich von der Stimmungskanone Zarah Leander. Gleich zu Beginn werden die eigentlich schrecklichen Bilder der Luftangriffe auf Deutschland am Ende des zweiten Weltkriegs bitterböse von Davon geht die Welt nicht unter begleitet - fast schon in Reminiszenz an Stanley Kubricks Verwendung von We'll meet again in Dr. Strangelove - und auch für Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen, Er heißt Waldemar und Lilian Harveys Das gibts nur einmal hat Helmut Dietl hervorragende Verwendungen gefunden, deren Parallelen schon stellenweise unheimlich wirken.

Schwieriger Endspurt

Gedreht 1991 kam Schtonk erst im Frühjahr des folgendes Jahres in die Kinos, denn Helmut Dietl hatte noch einiges in der Postproduktion zu tun. Kurz vor der Premiere kam es fast zu einer Katastrophe, als die Boulevard-Zeitung Express gegen die Filmemacher klagte, weil die Zeitung im Film auch diesen Namen trug - der Stern hatte zwar einer Verwendung seines Namens zugestimmt, aber Helmut Dietl und Ulrich Limmer hatten sich schon auf eine fiktionale Namensgebung aller Charaktere geeinigt und wollten auch dem Magazin einen (vermeintlich) neutralen Namen geben. In aller Eile mußten einige Szenen nachgedreht und andere mit Hilfe von damals noch ganz neuer digitaler Technik nachbearbeitet werden, um die Zeitung in HHpress umzutaufen.

Auch in der Schnittphase muß Schtonk einige Verwandlungen durchgemacht haben. Das Voiceover von Uwe Ochsenknecht wurde erst nach den ersten Testvorstellungen hinzugefügt, und vor kurzem kamen Gerüchte auf, daß es noch eine andere Version vom Schluß des Films gibt, in dem der Fälscher nicht mehr ganz so gut wegkommt. In der fraglichen fehlenden Szene entdeckt Knobel, daß er von Willié finanziell angeschmiert wurde und verläßt sein österreichisches Exil, um den Journalisten auf seiner Yacht zur Rede zu stellen. Tatsächlich kann man in der bekannten Version des Films in der letzten Szene jemand vorne auf der Yacht sitzen sehen, aber darüber ob die Schnitte schon in der Kinofassung da waren oder erst in der Video/TV-Version gemacht wurden, gibt es geteilte Meinungen.

Ein echter Knüller

Schtonk kam im März 1992 in die Kinos und wurde nicht nur dank einer großen Werbekampagne zu einem der größten deutschen Kinoerfolge. Die Kritiker waren von der brillianten Satire und den engagierten Schauspielern begeistert und lobten, wie spritzig und vergnügt Helmut Dietl es gelungen war, eins der dunkelsten Kapitel des deutschen Journalismus humorvoll aufzuarbeiten. Schtonk wurde mit vielen deutschen Filmpreisen ausgezeichnet und sogar als bester nicht-englischsprachiger Film für den Oscar nominiert, allerdings blieb zumindest der finanzielle Erfolg außerhalb Deutschlands wegen des doch sehr spezifischen und eigenwilligen Humors weitgehend aus.

Fast zeitgleich entstand in England auf der Basis von Robert Harris' Buch die gleichnamige TV-Serie Selling Hitler, die jedoch noch weniger Beachtung fand als die deutsche Verfilmung der Affaire. Schtonk war dagegen ein bemerkenswertes Unikum - eine der besten deutschen Komödien der neunziger Jahre, die auch fünfzehn Jahre nach ihrer Entstehung und 25 Jahre nach dem Skandal um die Hitler-Tagebücher immer noch frisch und unverbraucht wirkt und die unglaubliche Geschichte auf die einzige Weise dokumentiert, die sie verdient hat: mit Humor.

Die DVD

Schtonk wurde bereits im Oktober 1992 in Deutschland als Videokassette veröffentlicht - gerade einmal sieben Monate nach der Kinopremiere, was in dieser Zeit schon ungewöhnlich schnell war. Leider war schon damals die VHS-Veröffentlichung im Bildformat beschnitten, was sich mit der 2000 von EuroVideo veröffentlichten DVD nicht geändert hatte, denn für die kam das gleiche alte Master zum Einsatz wie für die Videokassette und die TV-Ausstrahlungen.

Eurovideo kann natürlich auch nur das herausbringen, was der Lizenzgeber hergibt, aber gerade bei einem so erfolgreichen Film wie Schtonk hätte man sich doch etwas mehr Mühe geben können. Während man fehlende Extras noch verschmerzen kann (die eigentlich sehr passende NDR-Dokumentation Hitlers Tagebücher - Der größte Schwindel aller Zeiten wurde erst nach der Veröffentlichung produziert), war die DVD schon 2000 wegen der schlechten Qualität und des falschen Formats eine große Enttäuschung.

Immerhin gibt es fast sieben Jahre nach der Veröffentlichung dieser DVD erste Anzeichen, daß Eurovideo gewillt ist sich um eine Neuauflage mit einem besseren Transfer zu kümmern. Bis dahin sollte man auf diese DVD nur zurückgreifen, wenn man den Film unbedingt sehen möchte und der Preis deutlich unter zehn Euro liegt - ansonsten lohnt es sich leider ganz und gar nicht.


Cover

Bild

Das für diese DVD verwendete Bildmaster ist das gleiche, daß schon 1992 für die Video-Veröffentlichung zum Einsatz kam und war zum Zeitpunkt der DVD-Release damit schon acht Jahre alt. Ein solches Master ist natürlich kaum für eine DVD geeignet, aber offenbar hatte Eurovideo Probleme an einen besseren Transfer zu kommen und war auf diese Version angewiesen. Viel war mit so einer uralten Vorlage natürlich nicht mehr zu machen, und dementsprechend schlecht ist auch die Qualität, die man auf dieser DVD geboten bekommt.

Noch ärgerlicher als die Bildqualität ist jedoch das Bildformat, das zwar zu Beginn des Films bei etwa 2:1 beginnt, dann aber während des Vorspanns langsam auf etwa 1.78:1 aufzoomt. Da Schtonk in 2.35:1 gedreht wurde, fehlt an den Seiten ein nicht unerheblicher Teil des Filmbilds, was sich in vielen Szenen durch abgeschnittene Szenerie und Gesichter deutlich bemerkbar macht und Xaver Schwarzenbergers Bildkompositionen völlig zunichte macht. Dieser faule Bildformat-Kompromiß entstand vermutlich deshalb, weil Regisseur Helmut Dietl in 2.35:1 drehen wollte, der WDR als Mitproduzent aber auf ein fernsehkompatibles 1.85:1 mit Option auf eine 1.33:1-Open-Matte-Version bestand - produziert wurde dann schließlich doch in 2.35:1, aber vermutlich war dem WDR dieses Format zu breit und der erste und bisher einzige Videotransfer des Films wurde seitlich beschnitten.

Die eigentliche Bildqualität des Masters ist zwar noch nicht ganz so schlecht wie die einer VHS-Kassette, ist aber auch nicht wesentlich besser. Das Bild ist sehr schwammig und mit ständig sichtbarem Videorauschen und zahllosen anderen analogen Artefakten überzogen, die von einer deutlich erkennbaren Zeilenstruktur über das typische Composite-Kantenkräuseln bis zu regenbogenfarbigen Farbstörungen reichen. Von einem filmtypischen Aussehen kann hier überhaupt keine Rede mehr sein, der Film macht auf dieser DVD den Eindruck mit einer alten analogen Videokamera aufgezeichnet worden zu sein. Immerhin läßt sich dieser Transfer progressiv mit sauberen 25 Bildern pro Sekunde wiedergeben. Auch die Farben können kaum überzeugen und wirken extrem blaß, verwaschen und nicht einmal ansatzweise realistisch - so etwas bekommt man auf einer DVD sonst nur in Ausschnitten von Workprints ohne exaktes Farbtiming zu sehen. Eigentlich würde das kaum auffallen, aber Schtonk! ist ein sehr farbenfroher Film, dem dieses seltsame Gemisch überhaupt nicht gut tut.

Die Filmvorlage war für eine Abtastung, die noch im gleichen Jahr der Kinopremiere gemacht wurde, in einem erstaunlich schlechten Zustand - zwar ist der Anfang, eine Mischung aus nachgestelltem und echten historischen Filmmaterial, absichtlich sehr angeschlagen, aber auch im Rest des Films sind ständig Fussel und Kratzer in großer Menge sichtbar. Vermutlich wurde eine Kinokopie verwendet, der Umstand daß man keine Aktwechselmarkierungen zu sehen bekommt wird wohl an dem seitlich beschnittenen Bildformat liegen, denn die Dropouts nehmen etwa alle zwanzig Minuten an Häufigkeit zu.

Insgesamt sollte ein gerade einmal fünfzehn Jahre alter Film auf einer DVD erst gar nicht so aussehen - so eine Bildqualität wäre für eine auf Video gedrehte TV-Produktion aus dieser Zeit noch verzeihbar, aber nicht bei einem so hochkarätigen Kinofilm.

Ton

Deutlich besser als die enttäuschende Bildqualität ist der Ton, der die Dolby-Stereo-Kinoabmischung in 2.0-Surround mit 256 kbit/s unspektakulär, aber originalgetreu wiedergibt.

Die kurz vor der Einführung des digitalen Kinotons erstellte Abmischung ist ein typischer Komödien-Mix, der auf bombastische Effekte verzichtet, aber trotzdem etwas Raumklang zu bieten hat. Der Surroundkanal wird hauptsächlich von der Musik verwendet, kommt aber gelegentlich auch für ein paar diffuse Umgebungsgeräusche zum Einsatz. Die vordere Soundstage wird dafür sehr ausführlich genutzt - besonders Konstantin Weckers Musik ist sehr breit und differenziert abgemischt worden. Auch die Stimmen beschränken sich nicht auf den Center, sondern sind gelegentlich auch von den Seiten zu hören, so daß sich auf den vorderen Lautsprechern eine überraschend aktive Abmischung befindet.

Qualitativ gibt es an dieser Tonspur auch nicht viel zu auszusetzen, denn Störungen sind hier überhaupt nicht auszumachen - lediglich ein minimales Grundrauschen macht sich bei ganz genauem Hinhören bemerkbar. Dynamik und Frequenzumfang sind für eine Stereo-Surroundspur sehr gut ausgeprägt, besonders die Musik kann mit einem soliden Baß aufwarten und die Höhen wirken nicht hörbar eingeschränkt. Untertitel gibt es auf dieser DVD leider keine, aber immerhin sind die Stimmen einwandfrei verständlich.

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