Allgemeines
Die Geschichte der Marx-Brothers begann im Januar 1885
in New York, als die beiden Einwanderer Minnie Schönberg und Simon
"Sam" Marx heirateten und ein Jahr später ihr erstes Kind
Manfred zur Welt brachten, das aber nur wenige Monate überlebte und
an einer Lungenentzündung starb. In den folgenden Jahren erblickten
jedoch fünf Brüder das Licht der Welt - 1887 wird Leonard (Chico),
1888 Adolph (Harpo), 1890 Julius Henry (Groucho), 1892
Milton (Gummo) und 1901 Herbert (Zeppo) geboren.
Die Ader fürs Showbiz kam nicht von der Seite des Vaters, der recht
erfolglos als Schneider arbeitete, sondern von Mutter Minnie, deren Familie
schon einige Theater Ambitionen hatte. Minnie half ihrem Bruder Al Sheen
erfolgreich ins Showbusiness zu gelangen und entschied, daß dies
auch die richtige Karriere für ihre Kinder sein sollte. Groucho war
der erste, der mit etwa fünfzehn Jahren als Sänger in Kirchen
begann und bald schon professionelle Auftritte in Vaudeville-Shows hatte.
Groucho und Gummo gingen 1907 zusammen auf Ned Wayburns "College
of Vaudeville", wo sich die ersten Anzeichen des später typischen
Marx-Brothers-Humors zeigten. Als Wayburns Nightingales standen
Groucho und Gummo zusammen mit Mabel O'Donnell in vielen Theatern an der
Ostküste auf der Bühne. Als der Impressario Ned Wayburn in finanzielle
Schwierigkeiten kam, übernahm niemand anders als Minnie Marx das
Management der nun umbenannten "Three Nightingales" und vielen
anderen.
Weil sich Mabel O'Donnell als nicht allzugute Sängerin erwies und
außerden nicht sehr hübsch war, tauschte Minnie Marx sie Mitte
1908 durch den Brooklyner Lou Levy aus. Außerdem wirkte ab diesem
Zeitpunkt auch ihr Sohn Harpo erstmals mit, der die Gruppe zu den Four
Nightingales machte. Über ein Jahr lang tourten die Nightingales
in New York und Umgebung und begannen immer mehr ungewöhnlichen Humor
in ihre Auftritte einzubauen.
Weil sich neben New York die Gegend um Chicago als zweites großes
Vaudeville-Zentrum in Amerika herausstellte, zog die Familie Marx nach
Chicago um dort ihr Glück zu versuchen. Minnie Marx machte sich unter
dem Decknamen Palmer einen Namen als Chicagos einzige weibliche Theaterproduzentin
und brachte nicht nur ihre Söhne, sondern auch viele andere erfolgreiche
Acts auf die Vaudevillebühnen. Weil die Gagen proportional mit der
Anzahl der Mitwirkenden stiegen, gesellten sich sogar Minnie Marx und
ihre Schwester Hanna mit auf die Bühne, die erst als die Four
Nightingalesund später als Minnie Palmer's Six Mascots
auftraten.
Als 1908 das Musical School Days eröffnete, war bald der
Broadway schnell voll von Schulkomödien, was auch auch die Familie
Marx nicht an sich vorbeigehen
lassen konnte. Unter der Führung von Groucho entstand deshalb 1912
mit Fun in Hi Skule das erste eigene Stück der Marx-Familie,
das erstmals mehr auf zusammenhängenden Sketchen als nur aneinandergereihten
Musiknummern basierte.
Nicht mit dabei war Chico, der älteste der fünf Brüder
- er verdiente sich seinen Lebensunterhalt mit Klavierspielen in Bars,
Tanzlokalen und arbeitete einige Zeit beim Song-Verleger Shapiro, Bernstein
& Co. Als sich Fun in Hi Skule als großer Erfolg erwies
und mit Mr Green's Reception eine Fortsetzung geschrieben wurde,
gelang es Groucho, Harpo und Gummo ihren Bruder zusammen mit seinem damaligen
Parnter George Lee anzuwerben. Während einer Doppelvorstellung von
Fun in Hi Skule und Mr Green's Reception saß plötzlich
Chico am Klavier im Orchestergraben und wurde von seinen Brüdern
schnell auf die Bühne geholt um vor dem neugierigen Publikum den
Rest des
Abends wild zu improvisieren.
Al Shean, der Onkel der Brüder und mittlerweile selbst ein erfolgreicher
Vaudeville-Komiker, schrieb ihnen eine Fortsetzung ihrer ersten zwei Hits
namens Home Again, das im September 1914 wie seine Vorgänger
als aufwendige Produktion mit mehr als zwanzig Darstellern öffnete.
Home Again wurde zum bis dahin langlebigsten und erfolgreichsten
Stück der Marx-Brüder, das sie über viele Jahre hinweg
in verschiedenen Fassungen spielten.
Zu dieser Zeit begannen die Marx-Brüder ihre Charaktere zu entwickeln,
mit denen sie später großen Erfolg feiern sollten. Ohne das
wachsame Auge von Mutter Minnie, die oft anderweitig mit Theater-Management
beschäftigt war, trauten sie sich immer mehr neue Sachen auszuprobieren.
Viele Dinge, die in späteren Shows und Filmen vorkommen,
lassen sich auf die drei Stücke zurückführen - Grouchos
aufgemalte Augenbrauen und Schnurrbart und sein "Duck Walk",
Chico hatte seinen falschen italienischen Akzent bereits zuvor kultiviert
und der stumme Harpo wurde geboren, als Al Shean vergaß ihm in "Home
Again" genug Dialog zu geben.
Schon 1915 wurden aus den Four Marx Brothers kurzzeitig fünf,
als Minnie Marx den jüngsten Bruder Herbert (Zeppo) bat,
mit in den Shows einzuspringen, weil die Darsteller knapp wurden. Zeppo
war nicht wirklich am Showbiz interessiert, aber spätestens als Gummo
1918 zur Armee ging, war er ein fester Bestandteil der Truppe und übernahm
die Rollen seines abwesenden Bruders. Im Gegensatz zu Groucho, Chico und
Harpo spielte er jedoch immer gradlinige, normale Charaktere.
Auch die musikalischen Talente der Brüder entwickelten sich schnell.
Harpo war das musikalische Wunderkind der Familie - er konnte ein Instrument
in die Hand nehmen und es nach kurzem Ausprobieren sofort spielen. Groucho
spielte Gitarre und sang, während Chico und Harpo sich oft am Klavier
abwechselten. Zusammen mit Harpos Harfenspiel entwickelten sie Spieltechniken,
die für Autodidakten erstaunlich waren, aber professionelle Musiker
in Tränen ausbrechen ließen. Schon damals waren die Instrumentalnummern
von Chico und Harpo große Publikumslieblinge und ein fester Bestandteil
jeder Show.
Nach drei Erfolgen in Reihe, die die Familie Marx und ihre Entrouage
finanziell gut absicherten, bahnte sich ihr erster Flop an: Street
Cinderella mag vielleicht gar nicht so schlecht gewesen sein, aber
die Premiere in Grand Rapids in Michigan 1918 während einer Grippe-Epidemie
war nicht besonders hilfreich. Street Cinderella wurde schnell
verworfen und stattdessen eine erneuerte Version von Home Again
unter den Titeln The Four Marx Brothers Revue, N'Everything
oder auch Back Home gespielt, die sich bis Anfang der zwanziger
Jahre hielt.
1921 drehten die Marx Brothers privat ihren ersten Film mit dem Titel
Humor Risk unter chaotischen Bedingungen. Der nie ganz fertiggestellte
Stummfilm gilt heute als verschollen, weil die Brüder überhaupt
nicht mit ihm zufrieden waren und zum Beginn ihrer richtigen Filmkarriere
alle Kopien vernichten ließen. Genaueres ist heute über Humor
Risk kaum noch bekannt, aber es wird kein großer Verlust sein,
da der Humor der Marx Brothers ohne Dialoge nur auf einem sehr rudimentären
Niveau funktioniert.
Die nächste Show der Marx Brothers war wieder eine Fortsetzung von
Home Again die im Februar 1921 uraufgeführt wurde und mehrere
Titeländerungen durchmachte - ursprünglich On the Mezzanine
Floor genannt, wandelte sich der Titel im Laufe vieler Vorstellungen
in On the Mezzanine und schließlich in On the Balcony.
Im Juni 1922 machten die Marx Brothers den großen Schritt über
den Ozean und spielten On the Balcony erstmals in London, aber
weil das Stück das britische Publikum nicht begeistern konnte, wurde
es nach wenigen Vorstellungen durch das viel populärere Home
Again ausgetauscht, was dann doch noch den erhofften Erfolg erzielte.
Nach weiteren Vorstellungen in Bristol und Manchester kehrten die Marx
Brothers aber schon nach etwas mehr als einem Monat nach New York zurück.
Nach ihrer Ankunft aus England standen die Marx Brothers plötzlich
vor verschlossenen Türen: ihre Agenten warfen ihnen wegen der England-Tour
Vertragsbruch vor - die Marx Brothers waren in Vaudeville-Theatern fortan
"persona non grata" und konnten keine neuen Verträge mehr
abschließen. Aber die Brüder, besonders Chico, waren schon
länger der Meinung, daß ihre Shows zu groß und aufwendig
für einfache Vaudeville-Bühnen waren und entschlossen sich nach
zwei Monaten ohne Arbeit in regulären Theatern aufzutreten.
1923 fanden die Marx-Brothers in dem unabhängigen Produzenten Joseph
P. Gaites einen neuen Unterstützer, dessen Geldgeber James Beury,
ein Millionär aus Pensylvania, gerade das Walnut Street Theater in
Philadelphia gekauft hatte. Mit einer gesicherten Finanzierung im Hintergrund
begannen die Marx Brothers an ihrem neuen Stück zu basteln. Auf der
Basis der gefloppten Musicals Love for Sale und Give me a
Thrill schrieb Groucho zusammen mit einem der Autoren der Stücke
I'll say she is, eine schnell zusammengewürfelte Komödie
um eine Millionärserbin auf der Suche nach abenteuerlustigen Männern.
Während den ersten Probevorstellungen in Philadelphia ahnte noch
niemand, daß sich I'll say she is zum bis dahin größten
Erfolg der Marx Brothers entwickeln würde. Innerhalb der nächsten
anderthalb Jahre spielten die Brüder das Stück in vielen Theatern
der Shubert-Kette und verfeinerten es immer mehr. Im Mai 1924 war I'll
say she is nach ausführlichen Proben und Tests reif für
die besten Theater in Amerika: zum ersten Mal öffnete ein Stück
der Marx Brothers auf dem Broadway.
I'll say she is war in über 300 Vorstellungen im Casino
Theatre zu sehen und wurde zu einem riesigen Publikumserfolg. Sogar die
Kritiker waren durch die Bank begeistert und bescheinigten den Brüdern
höchstes komödiantisches und musikalisches Talent. Die Marx
Brothers waren nicht nur über Nacht, sondern mit viel harter Arbeit
von Vaudeville-Stars zu Broadway-Stars aufgestiegen. Nachdem sie über
anderthalb Jahre lang I'll say
she is gespielt hatten, legten die Brüder erst einmal eine wohlverdiente
Pause ein, streckten aber schon ihre Fühler aus um ihre nächste
Show vorzubereiten.
Mit einem riesigen Erfolg in der Tasche riß sich alles, was am Broadway
Rang und Namen hatte, um die Marx Brothers. Die erwiesen sich aber als
sehr wählerisch, weil sie keine simple Revue aus aneinandergereihten
Nummern machen wollten, sondern eine richtige Show mit allem Drum und
Dran. Produzent Sam Harris war der einzige, den die Marx Brothers ursprünglich
wollten, aber der nicht sofort zugesagt hatte. Es war Komponist Irving
Berlin, mittlerweile ein großer Bewunderer der Marx Brothers, der
Sam Harris doch davon überzeugen konnte ihre neue Show zu produzieren.
Mit festen Zusagen von Produzent und Komponist mußten die Marx Brothers
aber immer noch einen Autor für ihre neue Show finden, der ihrem
Temprament gewachsen war. Zwar hatten sie selbst eine Menge Sketche geschrieben,
aber die komplexe Aufgabe ein Stick mit einer zusammenhängenden Story
zu schreiben wollten sie lieber einem professionellen Autor überlassen.
Den fanden sie in dem erfolgreichen Bühnenautor George S. Kaufman,
der bei den Proben aber entsetzt zusehen mußte, wie sein sorgfältig
geplantes Stück von seinen Auftraggebern auf der Bühne demontiert
wurde.
Die ersten Probevorstellungen von The Cocoanuts in Philadelphia,
dem üblichen "Testgelände" der Marx Brothers, waren
aus unerfindlichen Gründen ein Mißerfolg. Vorsichtshalber wurde
mit Morrie Ryskind noch ein zweiter Autor hinzugezogen um das Stück
aufzupolieren. Die Sorgen über die schlechten Publikumsreaktionen
der Testvorstellungen waren aber unbegründet, denn alle Witze die
in Philadelphia nicht ankamen, begeisterten das Publikum in New York restlos.
The Cocoanuts eröffnete im Dezember 1925 am Broadway und
war mit 375 Vorstellungen ein Dauerbrenner, den es zuvor noch nicht gegeben
hatte und sogar noch seinen Vorgänger I`ll say she is mühelos
übertrumpfte. Aus der ständig wechselnden Entrouage von Nebendarstellern
kristallisierte sich jemand ganz besonderes heraus: die Schauspielerin
Margaret Dumont stand das erste Mal zusammen mit den Marx Brothers auf
der Bühne, aber es sollte nicht das letzte mal sein. Ihre matronenhafte
Art war genau die
richtige Zielscheibe für Grouchos Anwandlungen - außer in The
Cocoanuts stand Margaret Dumont auch im nächsten Broadway-Stück
der Marx Brothers mit auf der Bühne und spielte später auch
in sieben ihrer Filme mit.
The Cocoanuts neigte sich nach fast vierhundert Vorstellungen
am Broadway und einer kurzen Tour dem Ende zu, aber die nächste Show
war schon in Vobereitung. Animal Crackers wurde wieder von George
S.Kaufman und Morrie Ryskin geschrieben, die diesmal noch größere
Treffsicherheit mit dem Humor der Marx Brothers bewiesen und nun besser
auf ihre wilden Improvisationen vorbereitet waren. Musik und Songs wurden
diesmal von Bert Kalmar und Harry Ruby komponiert, aber dieser Teil der
Shows war mehr oder weniger ein notwendiges Überbleibsel aus der
Vadeville-Zeit als eine Tugend.
Die Premiere von Animal Crackers fand im Oktober 1928 im 44th
Street Theater am Broadway statt und wurde vom Publikum und den Kritikern
mit großer Begeisterung aufgenommen. Das Stück hielt sich ähnlich
lange wie seine Vorgänger, aber es sollte der letzte Bühnnauftritt
der Marx Brothers im großen Stil sein - in Hollywood fand nämlich
ein technologischer Durchbruch statt, der die Karriere der Brüder
in eine völlig neue Richtung leitete: die Erfindung des Tonfilms.
Schon im Herbst 1927 brachte Warner mit The Jazz Singer den ersten
"Talkie" heraus, der sich aber noch auf die Musiksequenzen beschränkte
und den Ton noch von Schallplatten abspielte. Schnell wurden aber die
ersten Lichtton-Systeme entwickelt, mit denen ab 1928 fast alle großen
Studios drehten. Die neue Technik war am Anfang zwar noch sehr anfällig,
stellte sich aber für die Marx Brothers als Segen heraus - Stummfilme
blieben ihnen verwehrt, weil ihre stark dialoglastige Komik in ihnen nicht
funktionieren
würde, aber die nun mögliche Filmtonaufzeichnung eröffnete
ihnen ein völlig
neues Medium.
Während die Marx Brothers mit ihren erfolgreichen Animal Crackers-Vorstellungen
am Broadway beschäftigt waren, bekamen sie von Paramount Pictures
einen Filmvertrag angeboten, den sie natürlich mit Begeisterung annahmen
- aber nicht ohne vorher gründlich über Vertragsbedingungen
zu verhandeln. Paramount, auf der Suche nach
Tonfilm-tauglichen Stars, wollte so schnell wie möglich mit den Marx
Brothers
einen Film drehen, aber die mußten noch ihre Broadway-Verträge
erfüllen.
Schnell wurde aber ein Kompromiß gefunden, der für die Marx
Brothers eine Menge Arbeit bedeutete: tagsüber sollte der Film gedreht
werden, während die Brüder abends am Broadway auf der Bühne
standen. Als Vorlage für ihren ersten Film wurde nicht etwa ein komplett
neues Drehbuch geschrieben, sondern aus Zeitnot mit The Cocoanuts
einfach ihr letzter Bühnenerfolg genommen.
Die Dreharbeiten fanden in Paramounts Astoria-Studios in Long Island statt,
in denen die nur wenig angepaßten Sets von den Broadway-Vorstellungen
aufgebaut wurden. Mit Robert Florey und Joseph Santley verschlissen die
Marx Brothers mit ihrem tempramentvollen, anarchistischen Stil gleich
zwei Regisseure bei den Dreharbeiten, von denen Groucho später sarkastisch
erzählte, daß einer von ihnen kein Englisch verstand und der
andere keine Komödie.
Die Inszenierung war sehr simpel und beschränkte sich im Prinzip
auf das einfache Abfilmen des Theaterstücks ohne großartigen
technischen Aufwand. Gedreht wurde mit nur einer Kamera, die oft Schwierigkeiten
hatte die unberechenbaren Bewegungen der Marx Brothers einzufangen. Die
Kameraarbeit war recht primitiv, aber immer noch besser als die von manchen
anderen frühen Tonfilmen dieser Zeit, die oft die Kamera den ganzen
Film lang kaum bewegten.
Ein wenig Mühe hat sich das Filmteam bei The Cocoanuts schon
gegeben, aber man merkt deutlich daß sie mit den Marx Brothers ziemlich
überfordert waren. Die vier Brüder waren dagegen in Höchstform
und taten alles um ihre eigene Art von Komödie in der beengenden
Rahmenhandlung durchzusetzen - das war aber schon längst während
der Bühnenauftritte passiert, so daß für die Kameras nur
noch das gut einstudierte Stück gespielt wurde.
Die Story von The Cococanuts bewegt sich auf einfachem Niveau
und sollte ursprünglich eine Satire auf den Grundstück-Verkaufsboom
in Florida von 1925 sein, aber dies wurde schnell zugunsten von mehr Marx
Brothers-eigenem Material verworfen und spielt nur noch eine untergeordnete
Rolle. Stattdessen konzentriert sich die Geschichte auf das Hotel mit
allen seinen Begleitumständen, das den Marx Brothers jede Menge Möglichkeit
gibt ihre Art von Humor auszuspielen.
Groucho spielt Mr. Hammer, den Direktor des heruntergewirtschafteten "Hotel
de Cocoanut", der mit allen Mitteln versucht irgendwie Geld zu kassieren
und schreckt auch nicht davon ab, sich an die reiche Mrs. Potter (Margaret
Dumont), dem einzig zahlenden Hotelgast, heranzumachen. Zeppo versucht
als Sekretär Mr. Hammer unter die Arme zu greifen, während Chico
und Harpo als ungebetene Hotelgäste Hammer's wirkliche Absichten
- soviel Land zu verkaufen wie nur möglich - sabotieren.
Die Liebesgeschichte zwischen Mrs. Potters Tochter Polly (Mary Eaton)
und dem Architekten Bob Adams (Oscar Shaw) und ein Juwelenraub durch ein
Diebespärchen (Cyril Ring und Kay Francis) verlieren gegenüber
den brillianten Szenen mit den Marx Brothers an Bedeutung, aber immerhin
kann man dem Film dadurch nicht vorwerfen, daß er keine richtige
Handlung besäße.
Die eigenen Auftritte der Marx Brothers dafür gehören zu den
besten, die je auf Zelluloid gebannt wurden. Wenn man von den nicht optimalen
filmtechnischen Umständen und der Tatsache absieht, daß das
Timing der Gags noch auf ein Bühnenpublikum ausgerichtet war, bekommt
man Marx-Humor in seiner reinsten Form geboten. Die Charaktere der einzelnen
Brüder sind schon fast so ausgereift, wie man sie aus den späteren
Filmen kennt.
Groucho ist schon mit aufgemaltem Schnurrbart und Augenbrauen, langem
Frack und Zigarre ausgestattet, lediglich sein "Duck Walk" und
sein Akzent sind noch nicht ganz so deutlich ausgeprägt. Er ist ein
intelligenter Angeber, Gauner und Retter in einer Person, der alle auf
den Arm nimmt, beklaut und bestielt. Seine Gegenspieler redet er mit konfusen,
aber treffenden Wortspielen in Grund und Boden, und wenn er sich an eine
Frau heranmacht, dann meistens nur mit dem Ziel Geld aus ihr herauszubekommen.
Wenn Groucho nichts anderes zu tun hat oder wenn er seine Meinung auf
eine deutliche Weise kundtun will, singt er ab und zu auch mal oder zupft
an seiner Gitarre.
Chico ist die Personifizierung eines typischen Amerika-Immigranten - etwas,
mit dem sich die Marx Brothers als Einwanderer bestens auskennen. Chico
sieht mit seinem schlecht sitzenden Jackett und seinem komischen Hütchen
ein wenig wie ein chaplinesquer Tramp aus und ist eigentlich furchtbar
politically incorrect. Da seine Filmcharaktere aber nie böse gemeint
sind, fällt das nicht negativ auf - im Gegensatz zu Groucho stellt
Chico nämlich keinen Gauner, sondern einen halbwegs ehrlichen Arbeiter
dar, der sich auf dem Pfad des
geringsten Widerstands durchs Leben schummelt. Seine größte
Waffe dabei ist die Sprache, oder besser gesagt was ihm an Sprache fehlt:
Chico hat nicht nur einen dick aufgetragenen italienischen Akzent, sondern
versteht auch nicht besonders gut Englisch. Oft manifestieren sich seine
Mißverständnisse, in dem er Worte phonetisch falsch erkennt
und so große Verwirrung stiftet - die berühmte Why a Duck?-Szene
in The Cocoanuts ist eins der besten Beispiele. Chico ist natürlich
auch hinter den Frauen her, aber nur aus rein romantischen Gründen.
Gelegentlich setzt er sich ans Klavier und entlockt dem Instrument
eine seiner verspielten Melodien, wobei er oft Töne mit dem Zeigefinger
wie mit einer Pistole abschießt - es macht nur nicht soviel Krach.
Harpo bildet sozusangen den animalischen Teil der Marx Brothers. Er spricht
nicht und verständigt sich nur durch Hupen oder Zeichensprache, wobei
nie gesagt wird, ob seine Figuren nun stumm sind oder einfach nur keine
Lust zum Reden haben. Mit seiner roten Perücke und der vogelscheuchen-artigen
Kleidung sieht Harpo wie ein Vagabund aus, aber die harmlose Fassade trügt:
was immer er in die Finger bekommt, macht er entweder kaputt, ißt
es auf oder läßt es in den unergründlichen Tiefen seiner
Jackentaschen verschwinden, aus denen er bei Bedarf auch volle Kaffeetassen
und brennende Lötlampen hervorzaubern kann. Ein weiteres Hobby von
Harpos Charakteren ist natürlich Frauen jagen, was er mit großer
Ausdauer tut. Was er mit seiner weiblichen Beute anstellt, bekommt man
jedoch nie zu sehen, weil er sie nie erwischt - ein Schicksal, daß
er oft mit
seinen Brüdern teilt. Als überzeugter Nicht-Sprechender nimmt
er die Sprache oft beim Wort und bringt dabei ähnliche Verwechselungen
wie Chico zustande - aus einem Siegel (Seal) wird ein Seehund (im englischen
auch Seal). Ab und zu wird das Raubtier Harpo auch ganz romantisch, wenn
er etwas entdeckt, was ihm besonders gefällt - wie zum Beispiel eine
Harfe, auf der er dann träumerische Melodien spielt.
Zeppo ist oft kaum als ein Marx Brother erkennbar, weil er keine verrückten
Verkleidungen trägt und immer ganz normale Rollen spielt, die meist
eine romantische Verstrickung mit einem Mädchen mit sich bringen.
An Zeppos Charakteren ist kaum etwas Marx-Typisches, wenn man einmal von
der entfernten Ähnlichkeit zu seinen Brüdern absieht. Eigenlich
wollte Zeppo auch gar nicht auf der Bühne stehen und sprang nur anfänglich
als Aushilfe ein, als in den frühen Tagen die Darsteller knapp wurden
- in den ersten fünf Filmen blieb er noch dabei und bekam Rollen,
die eigentlich auch ein anderer Schauspieler hätte übernehmen
können. Als sich das Trio Groucho-Chico-Harpo immer mehr herauskristallisierte,
zog sich Zeppo vernünftigerweise aus dem aktivenSchauspieler-Dasein
zurück und war von da an nur noch hinter den Kulissen als Manager
seiner Brüder unterwegs. Auch seine Rolle in The Cocoanuts
ist nicht gerade essentiell, aber er hat ein paar recht gut funktionierende
Szenen zusammen mit seinen Brüdern.
Der heimliche fünfte Marx Brother ist eigentlich eine Schwester,
die zwar nicht mit zur Familie gehört, aber dennoch untrennbar mit
den vier Brüdern verbunden ist: Margaret Dumont steht mit ihnen seit
The Cocoanuts auf der Bühne und spielte auch in sieben ihrer
Filme mit. Die 1882 geborene Schauspielerin war schon eine Broadway-Veteranin,
als sie zu den Marx Brothers kam, war aber mehr auf ernste Rollen spezialisiert.
Damit war sie als Gegenpol zu den anarchistischen Brüdern wie geschaffen,
aber Margaret Dumont war nicht nur in ihren Rollen völlig immun gegen
den Humor der Marx Brothers, sondern auch privat. Dadurch daß sie die
Witze nie verstand, konnte sie auch im größten Chaos der Brüder immer
ein ernstes Gesicht bewahren. Ihre Rollen ähnelten sich alle ein wenig
- oft, wie in The Cocoanuts, spielte sie eine reiche Aristokratin
reiferen Alters, die von Groucho wegen ihres Geldes umschwärmt wird.
Die Gesangs- und Tanznummern wirken etwas fehl am Platz, aber diese waren
wegen des Werbeslogans "All-Talking, All-Singing, All-Dancing!"
absolut unvermeidbar, blähten den Film aber auf über anderthalb
Stunden auf. Eine angebliche Rohfassung soll sogar über zweieinhalb
Stunden lang gewesen sein, aber das geschnittene Material soll auch nur
aus überzähligen Shownummern bestanden haben. Die damals schon
obligatorischen Harfen- und Klaviernummern von Chico und Harpo sind zwar
auch mehr oder weniger zufällig in die Handlung eingesetzt worden,
aber dafür umso unterhaltsamer.
Ein rundes Dreivierteljahrhundert später betrachtet wirkt The Cocoanuts
natürlich wie ein einfach abgefilmtes Theaterstück, hat aber
gerade durch den puren, unverwässerten Humor der Marx Brothers einen
ganz besonderen Reiz, der die altersbedingten Defizite minimal erscheinen
läßt. Gleichzeitig ist der Film durch die bühnengetreue
Inszenierung ein wichtiges Zeitdokument, denn von den früheren Shows
der Marx Brothers gibt es weder Film- noch Tonaufzeichnungen und oft auch
keine kompletten Scripte mehr.
Im Mai 1929 hatte die Filmversion von The Cocoanuts ihre Premiere
und machte die Marx Brothers fast augenblicklich zu großen Filmstars
und dem besten, was der frühe Tonfilm zu bieten hatte. Mit dem Ende
der Vorstellungen von Animal Crackers verabschiedeten sich die Marx Brothers
außerdem vom aktiven Bühnenschauspiel, um sich voll und ganz
auf das neue Medium Film zu konzentrieren - bis auf enige Testvorstellungen
für manche ihrer Filme war Animal Crackers ihr letzter großer
Bühnenauftritt.
Es hätte für die fünf Brüder ein hervorragendes Jahr
sein können, wenn sie nicht zwei tragische Ereignisse eingeholt worden
wären: ihre Mutter Minnie Marx, die große Organisatorin uhd
Überlebenskünstlerin, starb an einem plötzlichen Herzinfarkt
und im Herbst des Jahres verloren sie beim Black Tuesday, dem größten
Börsencrash der Geschichte, der die große Depression einläutete,
fast ihr ganzes Vermögen. Mit einem äußerst lukrativen
Filmvertrag in der Tasche brauchten sie sich aber trotzdem keine großen
Sorgen um ihre Zukunft zu machen - schon im nächsten Jahr drehten
sie für Paramount ihren nächsten Film, eine Umsetzung ihres
letzten Broadway-Hits Animal Crackers.
Die ersten fünf Filme der Marx Brothers wurden zwar ursprünglich von Paramount
produziert, sind aber schon seit mehr als fünfzig Jahren im Besitz von Universal.
Paramount war wegen der schwerwiegenden Auswirkungen des Antitrust- Verfahrens
von 1948, nachdem die großen Hollywood-Studios sich von ihren Kinoketten
trennen mußten, gezwungen die gesamten Rechte des Filmbestands an Universal
zu verkaufen - und dazu gehörten auch die frühen Filme der Marx Brothers.
The Cocoanuts erschien als DVD bereits im Herbst 2000 zusammen mit den anderen vier Filmen von Image Entertainment,
die damals viele Universal-Filme lizensiert hatten. Im Frühjahr 2003 erschienen in Region 2 und 4 vier der fünf
Filme von Universal - The Cocoanuts gehörte nicht dazu, offenbar weil es für ihn keine anderen Tonfassungen
als die englische Originalfassung gab. Im Herbst 2004 erschien dann in Region 1 die
groß angekündigte und lang erwartete Marx Brothers Silver Screen Collection von Universal, die die mittlerweile
nicht mehr produzierten Image-DVDs ersetzt und alle fünf Filme unter einem Dach zu einem fairen Preis enthält.
Trotz der schönen Verpackung - zwei dreiteilige Digipacks, die mit einem
Booklet in der Mitte verbunden ist und zu einem richtigen Buch zusammengeleimt
sind - ist das Boxset letztendlich etwas enttäuschend. Die Box präsentiert
sich als "Exklusive 6-Disc Set Featuring a Spectacular 40-Page Collector's
Booklet", aber es steckt weniger hinter der hübschen Oberfläche, als die
Ankündigung suggeriert: die Filme wurden nicht restauriert und basieren
anscheinend auf den nur ein wenig überarbeiteten Mastern der alten Image-Entertainment-Discs,
die Extras auf der sechsten DVD bestehen lediglich aus einer Viertelstunde(!)
an Interview-Aussschnitten und das "spektakuläre" Booklet ist zwar wie die
ganze Box sehr ansprechend gestaltet, hat aber praktisch gar nichts an sinnvollem
Inhalt zu bieten und glänzt nur mit Trivia-Stücken, die anscheinend fast
wörtlich aus der IMDB abgeschrieben wurden.
Dennoch sollte man die Marx Brothers Silver Screen Collection nicht
unterschätzen, denn in einer viel besseren Qualität wird man die fünf Filme
sicher in naher Zukunft nicht zu sehen bekommen, es sei denn irgendwo tauchen
durch ein Wunder noch bessere Kopien auf. Wenn Universal die Box nicht so
pompös angekündigt und gleich als weitgehend extralose Angelegenheit bezeichnet
hätte, müßte man sich jetzt nicht über halbfertig wirkendes Bonusmaterial
ärgern - im Vergleich zu Warner, die ihre sechs Marx Brothers-Filme sehr
liebevoll ausgestattet haben, hat Universal wirklich den kürzeren gezogen.
Dennoch lohnt sich diese Box alleine wegen der Filme auf jeden Fall.
The Cocoanuts ist der erste der fünf Filme in der Silver
Screen Collection, der bei einem Alter von 75 Jahren teils arge Qualitätsschwierigkeiten
hat, aber den Umständen entsprechend doch noch ganz gut anschaubar
ist. Natürlich ist es schade, daß der Film nicht in besserer
Qualität überlebt hat, aber andererseits kann man froh sein daß
The Cocoanuts nicht ganz verschollen ist.
Weitere Reviews: Animal Crackers
Monkey Business Horse
Feathers Duck Soup |









|